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bei Yvonne Jenisch – Trainerin, Coach & MBSR-Lehrerin

Liebe Frau Jenisch, Sie führen Achtsamkeits-Trainings durch, was verstehen Sie für sich persönlich eigentlich unter Achtsamkeit?

Den gegenwärtigen Augenblick bewusst wahrnehmen, mit allen Facetten, die gerade da sind, den mir angenehmen wie auch den unangenehmen. Achtsamkeit bedeutet für mich "Hinschauen statt Wegschauen" - und durch diesen klaren und annehmenden Blick für die momentane Situation mit etwas Abstand viel bewusster und gelassener agieren zu können. Den Raum zwischen Reiz und (oft automatisierter) Reaktion vergrößern. 

Warum ist es für Sie selbst wichtig, Achtsamkeit zu leben?

Weil ich ein Vielfaches an Lebensqualität gewinne, indem ich aus dem "Autopiloten" aussteige und Menschen, Abläufe und Dinge um mich herum mit wachem Interesse und einer Portion Anfängergeist betrachte. Oft entdecke ich dadurch nicht nur Neues in scheinbar Altvertrautem, sondern komme auch auf manch kreative Idee, diese oder jene Handlung einmal anders auszuführen oder eine andere Perspektive einzunehmen - dann manchmal mit erheblich weniger empfundener Belastung und mehr Freude am Tun! 

Warum besteht in unserer Gesellschaft aktuell so viel Bedarf für Themen wie Achtsamkeit und Stressbewältigung?

Wir haben es heute mit zunehmender Veränderungsgeschwindigkeit, Informationsüberflutung und Leistungsdruck zu tun. Viele fühlen sich überfordert und ausgelaugt und spüren, dass sie kaum noch zur Ruhe kommen. Die Kosten für die Behandlung stressbedingter körperlicher und seelischer Erkrankungen steigen seit Jahren rasant an - vom enormen Leid der einzelnen Betroffenen einmal ganz zu schweigen! Hier können Achtsamkeit und MBSR eine wichtige Funktion in der Prävention einnehmen und sind mit etwas Übung und Geduld sehr gut in den Lebensalltag integrierbar. 

Wie und wann haben Sie Ihre Liebe für das Thema entdeckt?

Als ich vor einigen Jahren in einer beruflich und gesundheitlich sehr anstrengenden Phase erleichtert feststellte, wie viel ich selbst für mich tun kann, um mit solchen Belastungssituationen konstruktiver umzugehen - und wie so einfache und jederzeit verfügbare Instrumente wie z.B. mein eigener Atem mich dabei unterstützen, die Gedanken und den Körper zur Ruhe kommen zu lassen - und damit auch wieder all das wahrnehmen und schätzen zu können, was in meinem Leben völlig in Ordnung ist und mir Freude und Energie spendet! 

Warum ist es für Sie sinnvoll Urlaub für einen Achtsamkeits-Kurs zu investieren?

Im Rahmen eines Urlaubs und fernab vom gewohnten Umfeld sind wir oft leichter bereit, uns einmal in aller Ruhe mit uns selbst zu beschäftigen - also eine ideale Voraussetzung für den Einstieg in das Thema Achtsamkeit! 

Kennen Sie eine ganz einfach Achtsamkeitsübung als Tipp für unsere Leser zu Hause?

Mir ist ganz wichtig, dass wir Achtsamkeit in allen Dingen des täglichen Alltags leben und uns von den positiven Wirkungen  inspirieren lassen können, nicht nur auf dem Meditationskissen - also auch bei ganz gewöhnlichen Routinetätigkeiten ;-)

Probieren Sie doch einfach einmal "achtsames Abwaschen":
Spüren Sie das warme Wasser an Ihren Händen, riechen Sie den Duft des Spülmittels (sollten Sie dabei überrascht feststellen, dass Ihnen der Duft eigentlich gar nicht gefällt, könnte es Zeit für eine Veränderung sein ;-), vielleicht hören Sie auch das leise Knistern des Schaums im Wasser? Nehmen Sie nun einen Gegenstand in die Hand und waschen diesen mit Ihrer ganzen Aufmerksamkeit ab, Ihre Gedanken verweilen ganz bei dieser Tätigkeit. Sobald Sie merken, dass Sie im Geiste schon wieder bei der nächsten Erledigung sind oder über Vergangenes nachdenken, holen Sie Ihre Aufmerksamkeit immer wieder freundlich aber konsequent zum Vorgang des Abwaschens zurück.

Sie müssen dabei gar nicht besonders langsam werden, einfach nur ganz bei der momentanen Tätigkeit verweilen, den Gegenstand wahrnehmen, den Sie da gerade säubern, sich am Ergebnis dieser Arbeit freuen. Ein Gegenstand nach dem anderen. Klingt einfach und ist es auch - kann aber einen großen Unterschied im Erleben ausmachen! Ganz abgesehen davon, dass es meist auch weniger "Bruch" gibt ;-) 

Oder probieren Sie alternativ "Achtsames Teetrinken" – geht natürlich auch mit Kaffee ;-)

Nehmen Sie die Tasse oder den Becher in Ihre Hände und spüren Sie zunächst die Wärme des Getränks. Wie duftet es? Vielleicht mögen Sie kurz die Augen schließen und nur diese beiden Sinneseindrücke aufnehmen. Dann nehmen Sie einen kleinen Schluck des Getränks und schmecken es ganz bewusst. Ihre Aufmerksamkeit ist ganz in diesem Augenblick, es gibt nichts Wichtigeres, als jetzt diesen Tee oder Kaffee zu sich zu nehmen. Vielleicht machen Sie sich auch einmal bewusst, wie vieler fleißiger Hände es bedurfte, bis Sie dieses Produkt nun genießen dürfen - angefangen bei der Ernte über die Weiterverarbeitung, den Transport bis hin zur Zubereitung! Nehmen Sie so Schluck für Schluck. Sobald Sie merken, dass Ihre Gedanken abschweifen, lenken Sie diese sanft aber bestimmt zum Genuss Ihres Getränks zurück, bis Sie ausgetrunken haben. Klingt einfach und ist es auch - es kann aber einen großen Unterschied im Erleben ausmachen, ob wir etwas bewusst zu uns nehmen oder einfach nur "hineinschütten" !